Empfindsamkeit

Empfindsamkeit
Emp|fịnd|sam|keit 〈f. 20; unz.〉
1. empfindsames Wesen, Eindrucksfähigkeit
2. 〈Lit.〉 eine gefühlsbetonte Literaturströmung im 18. Jh.

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Emp|fịnd|sam|keit, die; -:
1. feines, zartes Empfinden, Feinfühligkeit.
2. von England ausgehende europäische Geistesströmung des 18. Jahrhunderts, die durch eine gefühlsbestimmte, sentimentale Weltsicht gekennzeichnet ist.

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Empfindsamkeit,
 
literarische Strömung innerhalb der Aufklärung (2. Hälfte des 18. Jahrhunderts); das Wort »empfindsam« gilt als Übersetzung des englischen Wortes »sentimental«, die G. E. Lessing dem Übersetzer (J. J. C. Bode) von L. Sternes Roman »A sentimental journey. ..« (»Eine empfindsame Reise. ..«, 1768) vorgeschlagen haben soll; die Empfindsamkeit stellte eine bestimmte Phase in der Entwicklung des neuzeitlichen Individualismus dar; kennzeichnend war die Hinwendung zu einer enthusiastischen, »sentimentalen« Weltsicht zunächst im religiösen Bereich des Pietismus, dann säkularisiert in allen Lebensbereichen. Zeittypisch waren Freundschaftszirkel (z. B. Göttinger Hain, Darmstädter Kreis). Das Naturgefühl mit idyllisch-heiteren wie elegisch-düsteren Stimmungen und Reflexionen war nicht naiv, sondern bewusst antirationalistisch reflektiert (sentimentalisch). Entscheidend für diese Entwicklung waren die englischen moralischen Wochenschriften, die Naturdichtungen von J. Thomson bis zu E. Youngs »Night thoughts« (1742-45) sowie die Ossian-Dichtungen von J. Macpherson, v. a. auch die Romane S. Richardsons, später die humoristisch-idyllischen Romane von O. Goldsmith, L. Sterne u. a. Auch Frankreich gab mit Romanen (Abbé Prévost, J.-J. Rousseau) sowie mit der Comédie larmoyante Anstöße für den Empfindsamkeitskult; in der deutschen Literatur wurden diese Werke aufgenommen und mit großem Erfolg nachgeahmt, u. a. »weinerliche Lustspiele« von C. F. Gellert; daneben entstanden empfindsame Romane (Gellert, J. T. Hermes) und Gedichte. Als Höhepunkt und zugleich Überwindung der empfindsamen Dichtung gilt Goethes Roman »Die Leiden des jungen Werthers« (1774).
 
 
R. Krüger: Das Zeitalter der E. (21973).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Empfindsamkeit: Gefühlskultur des 18. Jahrhunderts
 

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Emp|fịnd|sam|keit, die; -: 1. feines, zartes Empfinden, Feinfühligkeit. 2. von England ausgehende europäische Geistesströmung des 18. Jahrhunderts, die durch eine gefühlsbestimmte, sentimentale Weltsicht gekennzeichnet ist.

Universal-Lexikon. 2012.

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